Wegen Anti-Rassismus-Demos: «Die Corona-Fälle werden ganz sicher zunehmen»
Eigentlich sind in der Schweiz aufgrund der Coronakrise weiterhin höchstens Versammlungen von 300 Leuten erlaubt. Am Samstag wurde diese Regel aber gleich in mehreren Städten missachtet: Es kam zu diversen unbewilligten Anti-Rassismus-Kundgebungen.
Allein in Zürich versammelten sich laut der Stadtpolizei deutlich über 10'000 Menschen. In Bern waren es 4'000 und in St.Gallen 1'000. Auch in Basel, Lausanne und Luzern kamen mehrere hundert bis mehrere tausend Demonstranten zusammen. Die Polizei ermahnte die Teilnehmer, die Abstandsregeln einzuhalten, löste die Versammlungen aber nicht auf.Beda Stadler, emeritierter Professor und ehemaliger Direktor des Instituts für Immunologie an der Universität Bern, sagt im Interview mit RADIO TOP: «Das wird ganz sicher zu einer Zunahme der Fälle führen. Wir wissen ja bis heute nicht genau, was dazu geführt hat, dass wir in der Schweiz relativ glimpflich davongekommen sind: Wir wissen nicht, ob dank Social Distancing, dank des Verbots von Grossveranstaltungen… In beiden Fällen hätten wir mit den Demonstrationen jetzt einen neuen Herd geschaffen.»
Masken bei den Demos helfen nicht, um Ansteckungsherde zu verhindern
Ein Anstieg der Fälle allein sei aber noch kein Grund zur Sorge, betont Stadler. An den Demonstrationen hätten sich nämlich mehrheitlich junge Menschen versammelt, die nicht zur Risikogruppe gehören: «Es ist nicht so schlimm, solange diese Leute jetzt wirklich keinen Kontakt zu Risikogruppen haben. So gefährden sie nur sich selber. 80 bis 90 Prozent der Leute, die angesteckt werden, sind entweder immun oder zeigen kaum Symptome – ihre Ansteckung leistet also sogar einen Beitrag zur Durchseuchung der Bevölkerung.»
Dass ein Grossteil der Demonstranten Masken trug, sei alleine noch keine Garantie gegen einen Ansteckungsherd bei den Demonstrationen: «Wenn die Leute den ganzen Nachmittag so nahe beieinander sind und dieselbe Maske tragen, dann bringt die Maske wenig.»
Beda Stadler findet trotzdem nicht, dass die Behörden die Demonstrationen hätten unterbinden müssen: «Das Coronavirus ist ein Problem für gewisse Risikogruppen – und für niemand anderen. Der Grossteil der Demonstranten gehörte wohl nicht zur Risikogruppe. Solange sie sich nun nicht mit der Risikogruppe mischen, passiert nicht. Wir müssen das wirklich nüchtern betrachten. Bisher haben wir es nicht geschafft, die Risikogruppe ausreichend zu schützen – deshalb hat es auch Tote gegeben. Wenn wir die Risikogruppe besser schützen, wird es auch keine Toten mehr geben.»