TOP TALK mit Skiakrobat Pirmin Werner
«Wir haben versucht, wieder in die Schweiz zu kommen, aber immer wieder wurden Flüge abgesagt», blickt Skiakrobat Pirmin Werner auf die prägende Zeit zurück. «Surreal» beschreibt er die Zeit dort. Der Krieg macht bekanntlich vor niemandem halt – auch nicht vor dem Sport. Das Arials Team befindet sich zum Kriegsausbruch gerade in Yaroslavl – 4.5 Stunden von Moskau weg. Der Kriegsausbruch ist zu diesem Zeitpunkt spürbar. Das Schweizer Team sitzt an diesem Abend zusammen und beschliesst wegen den vielen ukrainischen Athleten dem Anlass fern zu bleiben. Als sie dies gerade tun, erklärt der russische Präsident Wladimir Putin in der Nacht der Ukraine im Staatsfernsehen den Krieg. Das war am Donnerstag, 24. Februar 2022. Zwei Tage später hätte das Team noch den letzten Wettkampf bestreiten sollen.
An diesen Anlass denkt zu diesem Zeitpunkt niemand mehr. Nach drei Tagen gelingt es dem Arials-Team in die Schweiz zurückzukehren. «Du stehst am Flughafen und weisst, du kannst ein Kriegsland zurücklassen und in die Schweiz, in die Freiheit, fliegen. Das beschäftigt einem sehr, wenn man weiss, was gerade in der Nähe in der nächsten Zeit passieren wird.» Der Krieg ist nach wie vor präsent im Kopf von Pirmin Werner.
Nicht nur die Bilder und die schlimmen Nachrichten beschäftigen ihn – auch seine Arials-Konkurrenten. Der Russe Maxim Burow war der Dominator der vergangenen Saison. Er gewann – bis auf einen - alle Weltcup-Wettkämpfe. Seit zwei Jahren dominiert der Russe die Arials. Und sein Bruder Ilja Burow holte in Peking die Bronzemedaille. Mit Oleksandr Abramenko ist auch ein Ukrainer unter den Spitzenathleten vertreten. Der 33-Jährige holte vor Kurzem in Peking im Arials-Final die Silbermedaille – in Pyeongchang 2018 kürte er sich zum Olympiasieger.
«Mittlerweile sind alle Russen von den Sportwettkämpfen suspendiert – viele ukrainische Sportler sind entweder in den Krieg gezogen oder harren im Land aus. Ich habe ein Video von Oleksandr Abramenko auf den sozialen Medien gesehen, wo er mit seiner kleinen Tochter in der Garage in einer Kiewer Wohnung ausharrt vor den Bomben. Wir wissen nicht, wie die neue Saison weitergehen wird. Drei der besten Arials-Athleten sind vermutlich nicht dabei.» Trotz all dem Pirmin Werner blickt auf eine gute Saison zurück. Er konnte als sechstbester Arials-Athlet die Saison abschliessen. Holte im März 2021 seinen 1. Weltcupsieg in Kasachstan. Damit hat er in seine Karriere bereits sechs Europacup-Podestplätze und im Weltcup bisher fünf Podestplätze geholt.
«Nun strebe ich klar das obere Podest an und wer weiss, vielleicht hole ich an den kommenden olympischen Spielen in Mailand ja Edelmetall. Das ist mein grosses Ziel.» Auch die Saisonvorbereitung in Mettmenstettten steht bevor. Aktuell geniesst der 22-Jährige seine Ferien. Denn die neue Saison startet schon bald und sie verspricht Spannung – auch weil vermutlich mit Maxim Burov und Oleksandr Abramenko zwei starke Gegner fehlen werden
Was ist Arials?
Die Disziplin Aerials wird auch einfach nur «Skiakrobatik» genannt. Denn Akrobatik pur ist es, was die Aerials-Springer zeigen. Sie katapultieren sich bis zu 15 Meter hoch in die Luft und drehen dabei dreifache Saltos mit bis zu fünf Schrauben. Die Schanze für solche Dreifachsprünge ist rund vier Meter hoch und hat eine Neigung von 70 Grad. Der Wettkampf (Weltcup-Format) besteht aus einem Qualifikationssprung und einem Finalsprung für die besten 12. Fünf Sprungrichter bewerten die Ausführung in der Luft, zwei bewerten die Landung. Die Gesamtpunktzahl wird dann mit dem Schwierigkeitsgrad des Sprungs multipliziert.