«Wer beim Schreiben viele Fehler macht, ist nicht dumm»
Lesen und Schreiben gehört zu unserem Alltag dazu. Laut dem Schweizer Dachverband Lesen und Schreiben ist es gar eine Kulturtechnik, welche unseren wirtschaftlichen Wohlstand und unsere gesellschaftliche Weiterentwicklung zeigt.
Doch es gibt Menschen, die Probleme damit haben. Analphabetismus und Legasthenie sind zwei bekannte Formen von solchen Beeinträchtigungen. Illettrismus ist ein Phänomen, das weniger bekannt ist.
Warum Illettrismus nicht das gleiche wie Analphabetismus ist – im Beitrag von RADIO TOP:
Gemäss Dachverband beschreibt der Begriff einerseits das Phänomen, dass trotz langjähriger Schulpflicht viele Menschen nicht über die Lese- und Schreibkompetenz verfügen, die allgemein von der Gesellschaft verlangt wird. Andererseits dient er als Beschreibung für die Situation von Betroffenen. In anderen deutschsprachigen Ländern wird dafür auch der Begriff «funktionaler Analphabetismus» verwendet.
Menschen die von Illettrismus betroffen sind, können Lesen und Schreiben. Sie haben lediglich ihre Mühen damit. Beispielsweise mit der Gross- und Kleinschreibung oder damit, die Kommas am richtigen Ort zu setzen. Die Ursachen sind so individuell wie die Ausprägungen selbst. Laut dem Schweizer Dachverband Lesen und Schreiben gilt eine ungünstige Kombination von verschiedenen Faktoren als Ursache.
In der Schweiz sind laut Bundesamt für Statistik rund 800'000 Erwachsene im Alter von 16 bis 65 Jahren von einer Leseschwäche betroffen. Betroffene stammen aus allen Berufsgruppen und sozialen Schichten.
Welche Schwierigkeiten Illettrismus Betroffene im Alltag haben:
RADIO TOP hat mir einem Betroffenen über Illettrismus gesprochen:
Stefan hat eine Schreibschwäche und kein Problem mit dem Lesen. Doch stimmt die These, wer viel liest schreibt besser? «Ich habe gerade als Kind sehr viel gelesen. Doch das Lesen hat mir persönlich nichts geholfen mit dem Schreiben», sagt er über sich.
Was bedeutet Illettrismus für ihn? «Für mich ist Illettrismus ein Wort, unter dem die Wenigsten etwas darunter verstehen», sagt er. Man könne es sich so vorstellen, als würde man eine Fremdsprache lernen und nichts von dem Gelernten will so wirklich im Kopf bleiben.
Oft ist die Schule für Betroffene schwierig. «Der Grossteil der Betroffenen hat in der Schule negative Erfahrungen gemacht», sagt Stefan. «Es ist wie ein blinder Fleck. Oft geht das in der Schule unter.» Laut Stefan ist es selbst bei Lehrerinnen und Lehrern ein noch vermehrt unbekanntes Thema. Er wünscht sich, dass nach Möglichkeiten die jeweiligen kantonalen Bildungsdirektionen direkt mit Betroffenen sprechen. Für ihn braucht es eine Veränderung im System. Beispielsweise sollten bei Aufsätzen und Texten in der Schule nicht nur die Grammatik, sondern auch Inhalt, Tiefe und Form bewertet werden. Und ihm ist eine Message besonders wichtig: «Wer beim Schreiben viele Fehler macht, ist nicht dumm.» Zu dem sei wichtig, dass man sich selbst für diese Fehler nicht zu hart kritisiert.
«Scham und Verletzungen führen oft zu Versteckspielen von Betroffenen.» Das Thema zu enttabuisieren ist für Stefan wichtig. «Man sollte den Menschen als Ganzes sehen», sagt Stefan. Man soll die Betroffenen nicht nur auf diese Schwäche minimieren, sondern die Stärken der Person sehen. Helfen könne, wenn man einfühlsam und mit echtem Interesse auf die jeweiligen Personen zugeht.
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