50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz
Am 7. Februar feiert die Schweiz 50 Jahre Frauenstimmrecht. Über 100 Jahre haben die Schweizer Frauen für ihre politische Stimme und Teilhabe gekämpft. Am 7. Februar 1971 waren sie am Ziel und das Frauenstimmrecht wurde auf nationaler Ebene angenommen.
Die ersten Schritte bis zur Einführung des Frauenstimmrechts – im Beitrag von RADIO TOP:
Nach dem historischen Ja zum Frauenstimmrecht am 7. Februar 1971 öffneten sich für die Schweizerinnen neue Türen: Sie durften aktiv in der Politik mitmischen und konnten selbst in ein politisches Amt gewählt werden. Eine der Ersten war Monika Weber.
RADIO TOP ging mit ihr auf eine Zeitreise:
Zita Küng hat den Kampf ums Frauenstimmrecht seit Kinderjahren mitverfolgt, im Beitrag von RADIO TOP unterstreicht sie die Bedeutung der Abstimmung am 7. Februar 1971:
Im Hinblick auf das Jubiläum hat RADIO TOP mit der Zeitzeugin und Politikerin Monika Weber, mit der Historikerin Elisabeth Joris und der Frauenrechtsaktivistin Zita Küng gesprochen und in einem Interview auf das historische Ereignis zurückgeblickt.
Welche Vereine, Persönlichkeiten oder auch Parteien prägten den langen Kampf ums Frauenstimmrecht in der Schweiz, und seit wann waren sie aktiv?
Elisabeth Joris: Schon im 19. Jahrhundert haben sich Frauen zusammengeschlossen, um das Frauenstimmrecht zu verlangen. Sie waren auch bereits teilweise international organisiert. Unter ihnen war Marie Goegg-Pouchoulin. Sie hat 1868 eine internationale Frauenassoziation gegründet, welche die Gleichstellung verlangte. Dann hat sich um 1900 der Bund Schweizerische Frauenorganisationen gegründet, der bereits auch fürs Frauenstimmrecht plädiert hat, die heutige Alliance F. Dann 1912 der Frauenstimmrechtsverband, im gleichen Jahr hat auch der Arbeiterinnenverein die sozialdemokratische Partei gezwungen, sich immer und überall für das Frauenstimmrecht einzusetzen. Das war entscheidend.
1918 wurde das Frauenstimmrecht im Landesstreik explizit als dringend verlangt, und war um 1918 das erste Mal Thema im Schweizer Parlament in Bern. 1929 wurde eine Petition lanciert, die eine Viertelmillion Personen unterschrieben haben. Die grösste Petition seit 1848. Dennoch passierte nichts bis nach dem Zweiten Weltkrieg.
Der Bundesrat hatte noch 1951 das Gefühl, dass es in der Schweiz zu früh sei. Dies, obwohl bereits fast ganz Europa das Frauenstimmrecht angenommen hatte. Als aber der Bund 1956 wollte, dass Frauen obligatorisch Zivildienst leisten, haben die Frauen erneut lautstark protestiert. Dieser Riesenprotest hat dann dazu geführt, dass 1959 die erste Abstimmung auf eidgenössischer Ebene vors Volk kam. Zwei Drittel der wahlberechtigten Männer stimmten jedoch gegen das Frauenstimmrecht.
Zita Küng: Letztlich sind es ganz viele, weil das ein unglaublicher langer Kampf war. In diesen rund 130 Jahren gab es ganz unterschiedliche Akzente, zum Beispiel der Landesstreik 1918. Oder was man vielleicht nicht kennt, Gottlieb und Adele Duttweiler, das Gründungspaar der Migros, die waren beide total für das Frauenstimmrecht und später auch ihre Partei, der Landesring.
1968 wollte der Bundesrat die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnen, jedoch unter Ausschluss des Frauenstimmrechts. Dies führte erneut zu heftigem Widerstand, «Frauenrecht, Menschenrecht» skandierte etwa Emilie Lieberherr an der grossen Demonstration mit 5'000 Demonstrantinnen und Demonstranten am 1. März 1969 auf dem Bundesplatz in Bern. Infolge der Proteste beschloss der Bundesrat eine neue Volksabstimmung und am 7. Februar erhielten die Frauen das Stimm- und Wahlrecht. Warum dauerte der Kampf ums Frauenstimmrecht derart lange?
Elisabeth Joris: In der Schweiz wollte die Mehrheit der Männer das schlicht nicht. Das war entscheidend. Und weder die Behörden, noch die Regierung, noch das Bundesgericht oder das Parlament haben aktiv etwas unternommen, damit das überwunden werden konnte. Hinzu kommt, dass in der Schweiz die Männer die Möglichkeit hatten, das Frauenstimmrecht an der Urne zu verwerfen. Zusätzlich hatte die Schweiz nie einen wirklichen Bruch durch die Weltkriege erlebt, auf den ein Neuanfang folgte. Wie das in Deutschland, Frankreich oder in Italien der Fall war.
Zita Küng: Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich das Ideal der Hausfrauenehe durchgesetzt. Das war zuvor nicht der Fall. Es war ideal, wenn der Mann das Geld nach Hause brachte und die Frauen den Haushalt führten und die Kinder erzogen. Auch in der Arbeiterschicht. Und ich denke, das hat dann auch dazu geführt, dass eben die Männer als Haupt der Familie das Gefühl hatten, es sei normal, dass sie das Sagen haben und die Frauen nicht.
Gegen das anzugehen war sehr schwer, weil das hiess Normalität aushebeln, widernatürlich zu sein und es ist eine enorm schwierige Sache, sich quasi in diese Art der Opposition zu bringen. 1968 kam dann der gesellschaftliche Aufbruch der Jugend und auch die zunehmende Entmilitarisierung der Gesellschaft. Entscheidend war das katholische Milieu in der Schweiz, das den Widerstand gegen das Frauenstimmrecht langsam aufgab und der Frau auch eine Haltung und einen Intellekt zusprach.
Nach einem über 100-jährigen Kampf waren die Frauen am 7. Februar 1971 am Ziel. Wie ging dieser Tag in die Geschichte ein?
Zita Küng: Für die, die gekämpft haben war das natürlich eine unglaubliche Erleichterung. Die Frauen, die aktiv waren, haben versucht innerhalb der politischen Parteien auf Wahllisten zu kommen und Ämter im Parlament zu übernehmen.
Monika Weber: Ich habe den Tag als Freudentag in Erinnerung. Dazumal hat man vor allem Radio gehört. Zusammen mit meiner Mutter, mit meinem Vater, meinem Grossvater und meiner Schwester sassen wir am Abend vor dem Radio. Es war die grosse Kunde, dass das Frauenstimmrecht mit über 65 Prozent angenommen wurde.
Für uns Frauen hat sich an diesem Tag Neuland geöffnet. Wir standen vor etwas, wozu wir nicht ausgebildet oder erzogen wurden. Schon im Dezember hat mich der Landesring damals gefragt, ob ich mich auf die Wahlliste für den Zürcher Kantonsrat setzen lassen wolle. Daher war dieser Tag für mich besonders speziell. Ich kann mich aber nicht gross an Feierlichkeiten erinnern. Man hat sich zwar gefreut, aber man hatte auch Achtung vor all jenen, die nicht dafür waren.