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«Der Täter von Christchurch hätte genauso gut Schweizer sein können»

Ein junger Mann tötet in zwei Moscheen in Christchurch 49 Muslime. In einem Manifest outet er sich als Rechtsextremer. Ein Extremismus-Forscher erklärt im Interview, wie aus einem normalen 28-jährigen Mann ein Terrorist wird.

15.03.2019 / 19:18 / von: sfa
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Rettungskräfte stehen rund um die angegriffenen Moscheen im Einsatz. (Bild: youtube.com/CBS News)

Rettungskräfte stehen rund um die angegriffenen Moscheen im Einsatz. (Bild: youtube.com/CBS News)

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Im neuseeländischen Christchurch sind 49 Menschen bei einem Anschlag auf zwei Moscheen ums Leben gekommen.

Die Behörden stufen den Akt als Terrorismus ein. Als mutmasslicher Haupttäter gilt ein 28-jähriger Australier, der in Neuseeland wohnhaft war. Er hat seine Tat live im Internet übertragen. Daneben hat er im Internet auch ein Manifest zu seinen Beweggründen veröffentlicht.

Dr. Florian Hartleb ist deutscher Politologe mit Forschungsschwerpunkt Extremismus. Vergangenes Jahr hat er ein Buch unter dem Titel «Einsame Wölfe: Der neue Terrorismus rechter Einzeltäter» publiziert.

Florian Hartleb im Interview mit RADIO TOP:

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RADIO TOP: Der mutmassliche Attentäter von Christchurch war gegen aussen ein ganz normaler 28-Jähriger. In seinem Manifest heisst es, er habe eine normale Kindheit erlebt. Wie wir so jemand plötzlich zum Terroristen?

Florian Hartleb: Es ist ein Gemisch aus politischen Motiven und eigenen persönlichen Frustrationen. Man spricht hier von einer persönlichen Kränkungsideologie. Es handelt sich um alles andere als eine spontane Tat.

Sie gehen also davon aus, dass sich in diesem jungen Mann schon seit längerem etwas aufgebaut hat?

Ja, das geht deutlich aus seinem Manifest hervor. Der Täter hat in Fragen und Antworten ein Manifest hinterlassen. Dabei wird sehr deutlich, dass er sich sehr intensiv mit Terrorismus beschäftigt hat. Mit Problemen, die er sieht, wie die Massenimmigration in Europa. Er beruft sich auf ähnliche Ideen wie es ein Anders Breivik in Norwegen gemacht hat. Und er sagt von sich selber, er sei ein Faschist.

Muss man nach einer solchen Tat mit Nachahmungstätern rechnen?

Ja, denn die Gefahr des Rechtsterrorismus wird vernachlässigt. Wir legen unser Augenmerk zu stark auf einen islamistischen Terrorismus. Wir haben zu wenig im Blick, dass sich Täter im virtuellen Raum radikalisieren und dass sich Einzelne dann berufen fühlen, alleine loszuschlagen.

Der Täter beruft sich in seinem Manifest neben Anders Breivik auch auf den US-Präsidenten Donald Trump. Ist dieser Anschlag Ausdruck für ein vergiftetes politisches Klima?

Ja sicher. Er beruft sich ja auch sehr stark auf Marine Le Pen. Generell ist es sehr überraschend, dass sich ein Australier, der in Neuseeland lebt, sich so stark mit dem europäischen Diskurs beschäftigt.

Hätte dieser Anschlag denn auch in Europa stattfinden können?

Ja, wenn man das Manifest liest, würde man denken, es könnte auch ein Brite sein, ein Franzose, ein Schweizer… Und der Täter spricht auch davon, dass er die Taten lieber in Europa sehen würde.

Kann die Gesellschaft etwas gegen solche Terroristen tun?

Ja eher als der Staat. Denn bei all diesen Fällen gibt es Warnsignale. Es geht hier um das soziale und familiäre Umfeld. Aber auch um Warnsignale im Internet, etwa durch Hassbotschaften per E-Mail. Die Gesellschaft ist gefragt, um sachlich mit solchen Taten umzugehen. Diese Täter dürfen nicht heroisiert werden, damit sich nicht noch weitere Einzeltäter, weitere einsame Wölfe, berufen fühlen, zuzuschlagen.

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