Die Schnäppchenfalle: Wie Händler uns manipulieren
Das Tablet für unschlagbare 89.90 Franken, die Jacke zum halben Preis oder das letzte verfügbare Rudergerät fürs Wohnzimmer mit 20 Prozent Rabatt. Bei solchen Angeboten setzt der Verstand aus. Dass das Tablet nicht mit dem Betriebssystem unseres Handys kompatibel ist, wir schon zehn Jacken im Schrank haben und nie Sport treiben, merken wir oft erst, wenn wir schon zugeschlagen haben.
Rote Schilder mit dem Wort «Rabatt» oder durchgestrichene Preise wecken in uns eine Art Jagdinstinkt. «Wir haben das Gefühl, etwas zu ‚gewinnen‘ und eine Gelegenheit zu ergreifen, die ‚nie wieder kommt‘», erklärt Professorin Anna Knutti, die an der Berner Fachhochschule Wirtschaft im Bereich Marketing und Konsumentenverhalten forscht.
Zeitdruck und Knappheit
Das machen sich die Händler zunutze. Der Black Friday, der nur einmal im Jahr stattfindet, öffnet ein enges Zeitfenster. Auch wenn er auf eine ganze Woche ausgedehnt wird – die sogenannte Black Week. «Es wird kommuniziert, dass die Angebote nur in diesem Zeitraum verfügbar sind. So wird eine gewisse Dringlichkeit erzeugt, dass man unbedingt zugreifen muss», sagt Knutti.
Neben der zeitlichen Begrenzung schaffen die Händler auch künstliche Knappheit, indem sie das Angebot begrenzen. Die Netflix-Dokumentation «Buy Now!» befasste sich mit den unmoralischen Praktiken der grossen Unternehmen und deckte ihre manipulativen Strategien auf.
«Gerne wird angezeigt, wie viele Produkte vom gewünschten Objekt noch auf Lager sind. Auch das ist ein probates Mittel, um Zeitdruck aufzubauen und Knappheit zu suggerieren, damit wir uns schnell entscheiden», sagt Knutti. Die Forschung habe zudem gezeigt, dass Menschen unter Zeitdruck weniger geneigt seien, Käufe aufzuschieben oder sich noch einmal zu überlegen, ob sie etwas wirklich brauchen, so die Expertin. So werden Umsatz und Gewinn der Unternehmen maximiert – ökologisch ist die Taktik jedoch nicht.
Kaufverhalten beginnt in der Kindheit
Der Neuromarketing-Experte Philipp Zutt erklärt diesen Mechanismus damit, dass unser Gehirn eine sogenannte Verlustaversion hat, wir also Verluste möglichst vermeiden wollen. Das heisst: Wenn es etwas morgen nicht mehr zum gleichen Preis gibt, wollen wir es heute haben.
Können wir also nichts dafür, wenn wir am Black Friday zu Schnäppchenjägern werden? Laut Zutt nur bedingt: «Wir sind stark emotional gesteuert. Etwa 80 Prozent jeder Entscheidung, die wir treffen, sind Emotionen.» Und dabei werde nicht zwischen verschiedenen Gütern unterschieden. Bei einem Genussmittel wie Schokolade seien unsere Entscheidungen genauso emotional gesteuert wie beim vermeintlich sehr rationalen Hauskauf.
Allerdings, so Zutt, seien nicht alle Menschen gleich anfällig für die Tricks der Verkäufer. «Es kommt auch darauf an, ob wir in der Kindheit gelernt haben, auf Dinge zu warten», sagt Zutt.
Als Beispiel nennt er das berühmte Marshmallow-Experiment, einen Test zur Impulskontrolle bei Kindern. Dabei wurde einer Gruppe von Vier- bis Sechsjährigen ein Marshmallow in die Hand gedrückt mit dem Versprechen, sie bekämen ein zweites, wenn sie das erste 20 Minuten lang nicht anrührten. Einige Kinder hielten durch, andere naschten die Süssigkeit sofort nach Beginn der Zeitspanne.
Ein weiterer Faktor sei die Gewöhnung an solche Angebote. Denn manche Leute würden sich einfach nicht auf Rabattschlachten einlassen.
Listen erstellen und beobachten
Auch wenn vieles emotional gesteuert ist, kann man sich laut Anna Knutti vor Fehlkäufen schützen. So könne man im Vorfeld Listen anfertigen, was man wirklich braucht, und sich ein Budget setzen.
«Zudem lohnt es sich, sich mit der Kaufpsychologie auseinanderzusetzen. Wer die Muster kennt, kann besser damit umgehen und sich wirkungsvoll dagegen wehren», so die Expertin. Schliesslich seien Erwachsene mündige Menschen und sollten bewusst einkaufen.