Druck auf Bundesrat für härtere Russland-Sanktionen steigt
In Bern, wo nach Angaben der Organisatoren 20'000 Menschen zusammenkamen, setzte es für den Bundesrat Pfiffe ab, da er die EU-Sanktionen nicht vollumfänglich mittragen wolle.
«Es ist verantwortungslos, dass der Bundesrat die Milliarden in russischem Besitz nicht sofort einfriert», sagte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Scharfe Sanktionen wie den Importstopp von russischem Gas und Öl und den Ausschluss Russlands aus dem Zahlungssystem Swift forderte der Grünen-Chef Balthasar Glättli.
Auch die Schaffhauser SP Nationalrätin Martina Munz fordert den Bundesrat zu härteren Sanktionen auf. Es könne nicht sein, dass die Schweiz nicht mit den europäischen Sanktionen mitziehe. Die derzeitige Haltung zeuge nicht von Neutralität. Im Gegenteil, die Schweiz stelle sich so klar auf die Seite Putins.
Anderer Meinung ist SVP Nationalrat Thomas Hurter. Die derzeitige Haltung des Bundesrats sei genau richtig. Die Schweiz müsse sich weiterhin ihre Neutralität bewahren, denn nur so könne sie als Verhandlungspartnerin für Friedensverhandlungen dienen. Dies sei der wichtigste Beitrag, den die Schweiz zur Beruhigung der Situation beitragen könne.
Im Interview mit TELE TOP nehmen die beiden Schaffhauser Nationalräte Thomas Hurter und Martina Munz Stellung zur Politik des Bundesrates im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg:
An einer Kundgebung mit mehreren Hundert Teilnehmenden in Genf forderten Redner, dass die Schweiz dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinen Unterstützern nicht als «Rückzugsbasis» dienen dürfe.
Auf politischer Ebene war der Druck auf Bern bereits am Freitag gestiegen. Die EU erwarte, dass andere Staaten den EU-Sanktionen gegen Russland folgen oder ihre Sanktionen angleichen, hielt ein Sprecher in Brüssel fest. Dabei nannte er auch explizit die Schweiz.
Auch die Mehrheit der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates forderte schärfere Sanktionen. Als wichtiger Finanzplatz für russische Unternehmen müsse die Schweiz Verantwortung übernehmen. Auch sämtliche Parteien mit Ausnahme der SVP befürworteten zuletzt strenge Sanktionen gegen Russland.
«Situation wird laufend analysiert»
Der Bundesrat erwägt derweil Massnahmen gegen den russischen Präsidenten Putin und Aussenminister Sergej Lawrow. Er will laut dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) «so schnell als möglich» einen Entscheid treffen. Dabei geht es darum, ob und wie die Schweizer Regierung EU-Sanktionen gegen die russische Staatsspitze übernimmt.
Ob es zu weiteren Anpassungen bei den bereits bestehenden Sanktionen kommt, war am Samstag gemäss WBF noch offen. «Die Situation wird laufend analysiert», hiess es.
Die Schweiz hatte am Freitag die ersten von der EU erlassenen Russland-Sanktionen teils direkt übernommen. 363 Personen und 4 Unternehmen wurden neu auf die entsprechende Sanktionsliste genommen.
Die EU setzte in der Nacht auf Samstag neue Sanktionen in Kraft. Diese zielen darauf ab, Russland und seiner Wirtschaft erheblichen Schaden zuzufügen. Darüber hinaus setzte sie Putin und Lawrow auf ihre Sanktionsliste.
Schweiz drückt Ukraine ihre Solidarität aus
Die offizielle Schweiz verurteilte am Samstag die russische Militärintervention in der Ukraine erneut - und dies «aufs Schärfste», wie Bundespräsident Ignazio Cassis festhielt.
Der Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hatte am Samstag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Selenskyj bedankte sich auf Twitter nach verschiedenen «Unterstützungsanrufen» über die Zusicherung konkreter Hilfe.
«Ich habe unsere Solidarität mit der Ukraine und der ukrainischen Bevölkerung in diesen dunklen Stunden ausgedrückt», hielt Cassis auf Twitter zum Anruf fest. Weitere Angaben über Inhalt oder Dauer des Gesprächs machte das EDA nicht.
Flüchtlinge in Nachbarländern
Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine befinden sich gemäss Uno-Angaben inzwischen hunderttausende auf der Flucht. Allein in Polen sollen bereits 100'000 Personen angekommen sein.
Das Staatssekretariat für Migration (SEM) erwartet derzeit keine grosse Migrationsbewegung in die Schweiz: Vorerst dürften sich Ukrainerinnen und Ukrainer vor allem in die EU-Länder Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien begeben, zu denen direkte Landesgrenzen bestehen.
Danach dürften vor allem jene Staaten betroffen sein, in denen schon heute viele Ukrainerinnen und Ukrainer leben. In der Schweiz ist die ukrainische Diaspora im europäischen Vergleich mit rund 7000 Personen vergleichsweise klein.
Je nach Dauer und Intensität des bewaffneten Konfliktes könnten gemäss aktueller Schätzung des SEM ein paar Hundert oder ein- bis zweitausend Menschen in der Schweiz Zuflucht suchen.
Am Sonntag findet in Brüssel eine ausserordentliche Sitzung der EU-Innen- und -Justizminister zur Situation in der Ukraine statt. Bundesrätin Karin Keller-Sutter nimmt an der Konferenz teil.