Pull down to refresh...
zurück

Schweizer Strommarkt soll liberalisiert werden

Der Bundesrat will den Strommarkt vollständig öffnen. Auch Haushalte und kleine Gewerbebetriebe sollen künftig ihren Stromlieferanten frei wählen können. Sie haben aber ebenso das Recht, in der Grundversorgung zu bleiben - mit regulierten Tarifen und Schweizer Strom.

17.10.2018 / 17:09 / von: sfa/sda
Seite drucken Kommentare
0
Die Schweizer Stromkunden sollen mehr Freiheiten geniessen und den Anbieter wechseln können. (Symbolbild: pixabay.com)

Die Schweizer Stromkunden sollen mehr Freiheiten geniessen und den Anbieter wechseln können. (Symbolbild: pixabay.com)

0
Schreiben Sie einen Kommentar

Die Marktöffnung ist das Kernstück der Gesetzesrevision, die der Bundesrat am Mittwoch in die Vernehmlassung geschickt hat. Er will damit neue Rahmenbedingungen für den Strommarkt schaffen. Das Zeitfenster sei günstig, sagte Energieministerin Doris Leuthard vor den Medien in Bern. Der Stromwirtschaft gehe es wieder ziemlich gut.

Heute können nur die grossen Stromverbraucher ihren Lieferanten frei wählen. Bereits das geltende Gesetz sieht zwar eine vollständige Öffnung vor, doch wurde diese bisher nicht umgesetzt. Der Bundesrat legte frühere Pläne nach kontroversen Reaktionen auf Eis.

Nun soll die Öffnung kommen. Die Konsumentinnen und Konsumenten würden damit gestärkt, sagte Leuthard. Sie hätten die Wahl und könnten so auch die Entwicklung des Angebots beeinflussen. Im geöffneten Markt würden sich innovative Produkte, Dienstleistungen und die Digitalisierung rascher durchsetzen. Der Preis steht für den Bundesrat dagegen nicht im Vordergrund: Wie sich die Strompreise entwickelten, könne kaum vorhergesagt werden, sagte Leuthard dazu.

Doris Leuthard erklärt die Strommarktliberalisierung im Interview:

Video

Die Konsumentinnen und Konsumenten könnten nach der Marktöffnung jeweils Ende Jahr den Lieferanten wechseln. Der Bundesrat geht nicht davon aus, dass die grosse Masse häufig wechseln würde. Die Wechselraten im europäischen Durchschnitt liegen bei 6,4 Prozent. Allein schon das Recht, wechseln zu dürfen, bringe aber Dynamik in den Markt, argumentiert der Bundesrat.

Wer nicht in den freien Markt will, soll in der geschützten Grundversorgung bleiben können. Dort erhielten die Konsumentinnen und Konsumenten ausschliesslich Strom aus der Schweiz. Dieser müsste ausserdem zu einem Teil aus erneuerbaren Energien produziert werden. Den Mindestanteil würde der Bundesrat festlegen, er soll sukzessive ansteigen. Damit will der Bundesrat insbesondere die Schweizer Wasserkraft stärken.

Leuthard sprach von einer «smarten» und auch EU-kompatiblen Lösung ohne Subventionierung erneuerbarer Energien. Will der Kunde einen höheren Anteil Ökostrom, ist das in der Grundversorgung möglich. Für weniger Ökostrom oder ausländischen Strom müsste er dagegen in den Markt wechseln. Heute bezieht rund ein Drittel der Schweizer Haushalte ein Stromprodukt aus erneuerbaren Energien.

Die Versorgungssicherheit stellt aus Sicht des Bundes kein Problem dar. Damit sie auch in Extremsituationen gewährleistet werden kann, will der Bundesrat indes eine Speicherreserve einführen. Darauf soll erst dann zurückgegriffen werden, wenn der Markt nicht mehr in der Lage ist, Angebot und Nachfrage auszugleichen.

Die Speicherreserve soll jährlich durch die nationale Netzgesellschaft Swissgrid ausgeschrieben und über die Netznutzungstarife finanziert werden, im Sinne einer Energieversicherung. Auf den Strompreis würde sich das laut dem Bund nur geringfügig niederschlagen, mit 0,0025 bis 0,005 Rappen pro Kilowattstunde. Abgesehen von der Speicherreserve sollen Investitionen in Kraftwerkskapazitäten nicht zusätzlich staatlich gefördert werden.

Die Schweiz verfüge über ausreichende Kapazitäten, betonte Leuthard. Die Versorgung sei gesichert, mindestens bis 2025. Dies auch wegen der guten physischen Einbindung der Schweiz im europäischen Stromnetz. Die Einbindung soll durch das geplante Stromabkommen mit der EU markttechnisch abgesichert werden. Das Abkommen liegt jedoch wegen der Differenzen zum Rahmenabkommen weiterhin auf Eis. Die Marktöffnung sei deswegen nicht nutzlos, sagte Leuthard auf eine entsprechende Frage.

Sie wollte den Schritt auch nicht als freundliches Zeichen an die EU in den laufenden Verhandlungen verstanden wissen: Die Öffnung erfolge unabhängig von Brüssel, sie sei so oder so richtig, sagte die Energieministerin. Im Sommer hatte Leuthard gewarnt, dass die Schweiz ohne das Abkommen zunehmend ins Abseits gerate. Schon heute sei die Stromrechnung für die Schweizer Konsumenten höher, weil die Schweiz nicht gleichberechtigt am EU-Markt teilnehmen könne.

Weiter will der Bundesrat die Netzregulierung modernisieren. Dabei geht es um die gezielte Beeinflussung von flexiblem Verbrauch und flexibler Erzeugung. Das bedeutet etwa, dass Elektrofahrzeuge nur zu bestimmten Zeiten geladen werden oder Kühlhäuser für einige Stunden abgestellt werden.

Der Bundesrat will im Gesetz verankern, dass alle Endkunden, Produzenten und Speicherbetreiber Inhaber ihrer Flexibilität sind. Damit erhält die Flexibilität für sie einen finanziellen Wert: Sie können sie dort anbieten, wo es dem System am meisten nützt. Will der Verteilnetzvertreiber die Flexibilität nutzen, muss er die Inhaber entsprechend entschädigen.

Um Anreize für eine möglichst schonende Netznutzung zu setzen und so teure Ausbauten zu vermeiden, will der Bundesrat ausserdem die Netznutzungstarife im Sinne einer höheren Verursachergerechtigkeit anpassen. Schliesslich will er für mehr Transparenz sorgen. Die Endkunden sollen die Unternehmen direkt vergleichen können.

Die Vernehmlassung zur Revision des Stromversorgungsgesetzes dauert bis zum 31. Januar 2019.

Beitrag erfassen

Keine Kommentare