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Pharma-Industrie soll Opferentschädigungen im Thurgau mitbezahlen

Der Kanton Thurgau verlangt von der Pharmaindustrie eine hälftige Beteiligung an den geplanten Solidaritätsbeiträgen für die Opfer von Medikamententests. Sie trägt gemäss einer Mitteilung des Kantons eine massgebliche Mitverantwortung. Der Thurgau rechnet mit bis zu 12,5 Millionen Franken finanzieller Wiedergutmachung für Betroffene.

07.07.2023 / 13:09 / von: fzw/sda
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In der psychiatrischen Klinik Münsterlingen fanden von 1940 bis 1980 Medikamentenversuche statt. (Bild: KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER)

In der psychiatrischen Klinik Münsterlingen fanden von 1940 bis 1980 Medikamentenversuche statt. (Bild: KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER)

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Betroffene von Medikamententests sollen eine Entschädigung von je 25'000 Franken erhalten, wie es im Entwurf des kantonalen Gesetzes über den Solidaritätsbeitrag für Betroffene von Medikamententests steht. Der Kanton Thurgau übernehme in der Frage der finanziellen Wiedergutmachung eine Pionierrolle in der Schweiz, schrieb er in der Mitteilung vom Freitag.

In der psychiatrischen Klinik Münsterlingen TG wurden zwischen 1940 und 1980 nicht zugelassene Medikamente an unwissende Patientinnen und Patienten verabreicht. Verantwortlich dafür war der Psychiater Roland Kuhn, der als Entdecker des ersten Antidepressivums gilt. Eine vom Kanton Thurgau in Auftrag gegebene wissenschaftliche Aufarbeitung legte 2021 die enorme Dimension dieser Medikamententests offen.

Schätzungen gehen von bis zu 500 heute noch lebenden Betroffenen aus. Anspruchsberechtigt sind Personen, die in Akten oder Dokumenten in Zusammenhang mit Medikamentenversuchen mit Testpräparaten erwähnt werden, nicht aber allfällige Erben.

Der Kanton Thurgau hat Verhandlungen mit der Pharmaindustrie aufgenommen. Er erwarte von ihr eine finanzielle Beteiligung im gleichen Umfang, wie sie der Kanton leiste, hiess es in der Mitteilung. Besonders die Basler Pharmaindustrie habe laut dem dem wissenschaftlichen Bericht von Roland Kuhns Medikamententests profitiert.

Eine der Schwierigkeiten sei, dass es die Firmen, die damals an den Medikamentenversuchen beteiligt waren, heute so nicht mehr gebe, hatte der Thurgau Gesundheitsdirektor Urs Martin (SVP) im April 2023 im Kantonsparlament erklärt. Dieses überwies damals eine Motion von SP und Grünen, die eine kantonale Entschädigungsregelung für die Opfer der Medikamententests verlangte.

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Walter Emmisberger
am 07.07.2023 um 23:03
Es ist wichtig, dass auch die Arbeit von Betroffenen erwähnt wird.Man darf nicht vergessen, wie diese finanzielle Entschädigung zustande gekommen ist. Das war ein jahrelanger Kampf mit viel Arbeit von mir als Betroffener. An mir wurden als Kind in den 1960er Jahren in Münsterlingen Medikamente getestet. Die letzten Jahre habe ich immer wieder Briefe geschrieben. Dem Regierungsrat, den politischen Parteien, den Fraktionen vom Kanton Thurgau. Auch führte ich in den letzten Jahren einige Gespräche mit Politiker und jetzt endlich tut sich etwas. Das war ein langer Kampf, ich habe nie aufgehört, auch dann nicht als manche Leute zu mir gesagt haben; ‘chasch nöd emal ufhöre mit dem’. Ich habe es einfach ignoriert und weitergemacht, auch wenn diese Personen nichts mehr mit mir zu tun haben wollten. Mir war es wichtig, dass wir Opfer von den Medikamententests eine finanzielle Entschädigung erhalten. Walter Emmisberger