Deutschland: Sorge nach möglicherweise abgehörtem Luftwaffen-Gespräch
"Sollte sich diese Geschichte bewahrheiten, wäre das ein hochproblematischer Vorgang", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des deutschen Bundestags dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Es stellt sich die Frage, ob es sich hier um einen einmaligen Vorgang oder ein strukturelles Sicherheitsproblem handelt. Ich erwarte umgehende Aufklärung aller Hintergründe."
Die Chefin des russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, hatte am Freitag einen Audiomitschnitt des rund 30-minütigen, möglicherweise abgehörten Gesprächs veröffentlicht. Darin sollen ranghohe Offiziere der deutschen Luftwaffe zu hören sein, wie sie über theoretische Möglichkeiten eines Einsatzes deutscher Taurus-Marschflugkörper durch die Ukraine diskutieren.
Das deutsche Verteidigungsministerium prüft nun, ob die Kommunikation im Bereich der Luftwaffe abgehört wurde. "Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) hat alle erforderlichen Massnahmen eingeleitet", teilte eine Sprecherin des Ministeriums am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. "Zum Inhalt der offenbar abgehörten Kommunikation können wir nichts sagen."
Details zu Taurus-Debatte und brisante Äusserung über Verbündete
An dem Gespräch soll unter anderem der Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz teilgenommen haben, es soll der Vorbereitung auf eine Unterrichtung für Verteidigungsminister Boris Pistorius gedient haben. In dem in der Audiodatei zu hörenden Austausch geht es unter anderem um die Frage, ob Taurus-Marschflugkörper technisch theoretisch in der Lage wären, die von Russland gebaute Brücke zur völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zu zerstören.
Ein weiterer Punkt im Gespräch ist, ob die Ukraine den Beschuss ohne Bundeswehrbeteiligung bewerkstelligen könnte. Allerdings ist in dem Mitschnitt auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für die Lieferung der von Kiew geforderten Marschflugkörper gibt.
Brisant ist, dass die Rede davon ist, dass die Briten im Zusammenhang mit dem Einsatz ihrer an die Ukraine gelieferten Storm-Shadow-Marschflugkörper "ein paar Leute vor Ort" hätten. Gerade erst hatte es in Grossbritannien Verärgerung gegeben über eine Äusserung von Kanzler Olaf Scholz gegeben, die ihm von einigen als Indiskretion ausgelegt wurde.
"Was an Zielsteuerung und an Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden", sagte der SPD-Politiker. Was er genau damit meint, liess er offen. Der Satz wurde aber von einigen als Hinweis verstanden, Franzosen und Briten würden die Steuerung ihrer an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper Storm Shadow und Scalp mit eigenen Kräften unterstützen.
Ein Sprecher des britischen Premierministers Rishi Sunak dementierte das umgehend: "Der Einsatz des Langstreckenraketensystems Storm Shadow durch die Ukraine und der Prozess der Zielauswahl sind Sache der ukrainischen Streitkräfte."
Kiesewetter: Russland will mit Veröffentlichung Taurus-Lieferung unterbinden
Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter sagte dem ZDF mit Blick auf die Veröffentlichung: "Man muss davon ausgehen, dass das Gespräch ganz gezielt durch Russland zum jetzigen Zeitpunkt geleakt wurde in einer bestimmten Absicht. Diese kann nur darin liegen, eine Taurus-Lieferung durch Deutschland zu unterbinden."
Russland wolle Scholz abschrecken, indem man "öffentlich zeigt, wie tief Russland die deutschen Entscheidungsvorbereitungen dazu bereits aufgeklärt hat". Kiesewetter vermutete zudem: "Dieses Bundeswehr-Leak kann ein russischer Versuch sein, die öffentliche Debatte wegzulenken von den Wirecard-Enthüllungen und der Beerdigung von Alexej Nawalny."
Deutschlands Bundeskanzler Scholz hat mehrfach betont, dass er gegen die von Kiew wiederholt geforderte Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine ist. Er begründete dies mit der Gefahr, dass Deutschland in den von Russland begonnenen Angriffskrieg hineingezogen werden könnte.