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«Verschwörungstheorien lassen sich nicht ausrotten»

Bei der Extremismusfachstelle in Winterthur verschiebt sich allmählich der Fokus: Hatte sie in den zwei Jahren seit ihrer Gründung vor allem den gewaltbereiten Islamismus im Visier, sind es mittlerweile auch coronabedingte Verschwörungstheoretiker.

29.09.2020 / 12:57 / von: sda/asl/mle
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Seit Beginn der Corona-Pandemie kursieren zahlreiche Verschwörungstheorien. (Symbolbild: KEYSTONE/dpa/Moritz Frankenberg)

Seit Beginn der Corona-Pandemie kursieren zahlreiche Verschwörungstheorien. (Symbolbild: KEYSTONE/dpa/Moritz Frankenberg)

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Seit Beginn der Corona-Pandemie kursiert in den sozialen Medien eine zunehmende Zahl von Verschwörungstheorien, von Bill Gates als Urheber des Virus bis hin zur «wahren Absicht» der Schweizer Landesregierung, eine Diktatur einführen zu wollen.

Für die Fachstelle Extremismus in Winterthur

ist klar, dass sich bei Menschen, die empfänglich sind für solche Theorien, eine Form des Extremismus entwickeln kann. Viele Betroffene würden sich machtlos und alleine fühlen und deshalb eine grosse Wut entwickeln.

Zu dieser Wut gehöre auch ein generelles Misstrauen in die Arbeit und in die Entscheide der Politik. Für die Fachstelle sind diese Menschen aber keineswegs nur «harmlose Spinner».

Wie die Fachstelle Extremismus handeln will, im Beitrag von RADIO TOP:

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Theorien richtig einordnen

Es sei wichtig, den Menschen die Kompetenz zu vermitteln, Verschwörungstheorien richtig einzuordnen, schreibt die Fachstelle in einer Mitteilung vom Dienstag.

In nächster Zukunft müssten deshalb verschiedene Akteure aus Bildung sowie aus Sozial- und Jugendarbeit gemeinsam nach Lösungen suchen. Die Fachstelle will ihren Beitrag dazu leisten, eine neue Form von gewaltbereitem Extremismus zu verhindern.

Dieter Sträuli, Psychologe und Vorstandsmitglied der Fachstelle für Sektenfragen «Infosekta» sieht in der Schweiz vor allem ein Risiko, wie er gegenüber RADIO TOP sagt: «Bei uns könnte die Gefahr darin liegen, dass Rechtsextreme auf den Zug der Corona-Skeptiker aufspringen und die Bewegung für ihre eigenen Zwecke missbrauchen.»

An sich findet Sträuli Verschwörungstheorien zu Corona nicht speziell gefährlich. Leugner hätte es schon immer gegeben. Gefährlich werde es eben dann, wenn sich Rechtsextreme den Leugnern anschliessen. Denn diese hätten andere Dinge auf der Agenda, beispielsweise staatsfeindliche Aktivitäten.

Wichtig sei es, dass der Bund ermittelt, ob wirklich Gefahr besteht. Die lokalen Stellen, wie die Fachstelle Winterthur, sollten seiner Meinung nach die Verschwörungstheorien sammeln, interpretieren und widerlegen. «Verschwörungstheorien lassen sich nicht ausrotten. Das ist etwas zutiefst Menschliches», sagt Sträuli. Die Situation und die ändernden Vorgaben des Bundes würden bei gewissen Menschen Verunsicherung auslösen. Das führe dazu, dass sie lieber nach einer einfachen Lösung suchen und jemandem die Schuld geben. 

Bislang Islamismus und Rechtsextreme im Fokus

Gewaltbereiter Islamismus, in Winterthur vor allem im Zusammenhang mit der An'Nur-Moschee, war für die Stadt der Anstoss, eine Extremismusfachstelle ins Leben zu rufen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2016 behandelte die Fachstelle 150 Fälle.

Das Thema Islamismus ist in jüngster Vergangenheit etwas in den Hintergrund gerückt. Dafür bekommt es die Fachstelle nun auch mit Links- und Rechtsextremismus zu tun.

Meist wenden sich Angehörige, Behörden oder Lehrpersonen an die Fachstelle, weil sie bei jemandem Veränderungen feststellen und befürchten, dass die Person sich radikalisieren könnte.

Fallbeispiele aus den vergangenen zwölf Monaten sind etwa ein Master-Student, der Frauen nicht mehr die Hand schütteln wollte, oder ein Gymi-Schüler, der befürchtet, dass sein Mitschüler rechtsextrem geworden sein könnte.

Die Fachstelle betreibt aber auch Extremismus-Prävention in einem Kampfsportzentrum. In einer Winterthurer Kampfsportschule wurden in der Vergangenheit schon mehrfach Jugendliche für den IS rekrutiert.

Im Interview mit TELE TOP sprechen Experten über Extremismus im Zusammenhang mit der Coronakrise:

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