49-jähriger rastet vor Gericht aus
Im Oktober 2021 hat ein heute 49-jähriger Mann in Zürich Altstetten seine Ehefrau mit Messerstichen getötet. Am Dienstag wurde die Tat vor dem Zürcher Obergericht verhandelt. Laut Anklägerin war es ein klassischer Ehrenmord, laut Verteidigung eine Verzweiflungs-Tat. Das Urteil wurde am Mittwoch eröffnet. Dabei verlor der Mann die Kontrolle.
Das Bezirksgericht Zürich hatte den Mann vor einem Jahr wegen Mordes und Drohung zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt. Für den türkischen Kurden ordnete es eine Landesverweisung von 15 Jahren an. Der Mann sei mit der von der Frau angestrebten Scheidung nicht einverstanden gewesen. Das Urteil wurde angefochten. Die Verteidigung verlangte einen Freispruch vom Vorwurf der Drohung und eine Einstufung der Tat als Totschlag und eine maximal fünfjährige Freiheitsstrafe. Bei einem Schuldspruch wegen vorsätzlicher Tötung wären maximal zehn Jahre, bei einer Mordqualifikation maximal 15 Jahre angemessen. Auf die Landesverweisung sei zu verzichten.
Die Staatsanwältin forderte eine Bestätigung der Schuldsprüche und der Landesverweisung und eine höhere Strafe: Der Mann sei zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen. Der Rechtsvertreter der beiden gemeinsamen Kinder des Paars beantragte eine Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils.
Man wolle ihn «kaputt machen»
Das Obergericht Zürich hat am Mittwoch das Urteil gegen einen 49-jährigen Mann eröffnet, der 2021 in Zürich Altstetten seine Ehefrau getötet hat. Nach der Urteilseröffnung rastete der Mann aus und verliess den Raum. Das Obergericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom Oktober 2023. Es verurteilte den Beschuldigten wegen Mordes und Drohung zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren. Es ordnete gegen den Türken eine 15-jährige Landesverweisung an.
Nachdem die vorsitzende Richterin das Urteil eröffnet hatte, verlangte der Beschuldige das Wort. Die Richterin bat ihn, bis nach der mündlichen Begründung zu warten, die eigens für ihn übersetzt werden sollte. Daraufhin wurde der Beschuldigte laut. Die Begründung interessiere ihn nicht, es sei nicht richtig gearbeitet worden. Bloss weil er Ausländer sei, wolle man ihn «kaputt machen».
Das Verfahren sei «ein Theater». Nichts sei bewiesen. Er werde jetzt gehen. Die Richterin und sein Verteidiger versuchten vergeblich, ihn zu beruhigen. Flankiert von zwei Polizisten verliess er den Gerichtssaal.
Haftentlassung kurz vor Tat
Der Beschuldigte war knapp drei Wochen vor der Tat aus der Haft entlassen worden. Er hatte eine Strafe wegen räuberischer Erpressung, Betrugs und weiterer Delikte abgesessen. Für seine Wohnung war ihm ein Rayonverbot auferlegt worden. Als er ein paar Tage vor dem Tötungsdelikt durchs Fenster der Hochparterre-Wohnung blickte, entdeckte er seine Frau mit einem anderen Mann. Die Frau hatte aus der neuen Beziehung kein Geheimnis gemacht. Sie hatte ihm schon während seiner Haftzeit davon erzählt. Laut Anklage stiess er Todesdrohungen gegen die Frau aus. Sie zeigte ihn an.
In seiner Befragung stellte der Beschuldigte die Drohungen in Abrede. Er verneinte auch jegliche Tötungsabsicht. An jenem 13. Oktober habe er seine Frau zufällig zum Haus gehen sehen, als er abends am Wohnhaus vorbeigefahren sei.
Er habe mit ihr über die in einem Heim untergebrachten Kinder reden wollen und sei deshalb ausgestiegen. Ein Messer habe er nicht dabeigehabt. Die Frau habe sofort begonnen, ihn zu beschimpfen und zu beleidigen. Auf einmal sei sie am Boden gelegen. Er habe ihr aufhelfen wollen und habe plötzlich einen Schmerz im Bauch gespürt. Von da an erinnere er sich an nichts mehr.
Nachbarn sahen Tat vom Fenster aus
Die Staatsanwältin sprach von einem «klassischen Ehrenmord». Angesichts des neuen Partners der Frau habe der Beschuldigte «Rache nehmen und seine Ehre wiederherstellen» wollen.
Er habe der Frau beim Haus abgepasst, als sie nach Hause kam. Nach einem kurzen Wortwechsel sei er mit dem Messer auf sie losgegangen und habe auch noch zugestochen, als sie schon am Boden lag. Vom Geschrei aufgeschreckte Nachbarn hatten die Tat aus dem Fenster beobachtet. Sie sagten aus, der Mann habe mit einem «silbrigen Gegenstand» in der Hand auf die Frau «eingeschlagen».
Anschliessend rammte er sich laut Staatsanwaltschaft selbst das Messer in den Bauch. Dann fuhr er weg. Kurz darauf meldete er sich auf einer Polizeiwache. Das Messer wurde nie gefunden, aber im Auto wurde eine passende Messerscheide mit seiner DNA sichergestellt.
Verteidiger sieht Mitschuld von Opfer
Der Verteidiger schob dem Opfer eine Mitschuld am eigenen Tod zu. Sie habe ihren Mann immer wieder aufs Übelste beschimpft, beleidigt, niedergemacht und provoziert. Sein Mandant sei verzweifelt gewesen und habe selbst die Scheidung vorgeschlagen.
Der Anwalt kritisierte harsch das Bezirksgericht. Dieses habe eine «ergebnisorientierte» und teils willkürliche Beweiswürdigung vorgenommen. Für seinen Mandanten Entlastendes sei bagatellisiert oder gar ignoriert worden. Dass die fast 300 Seiten umfassende schriftliche Urteilsbegründung bereits nach einem Monat vorlag, zeige, dass sie schon im Voraus verfasst worden sei.
20 Jahre Haft
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte den Mann im Oktober 2023 wegen Mordes zu einer 20-jährigen Freiheitsstrafe. Es ordnete eine 15-jährige Landesverweisung des Türken an.Der Beschuldigte focht das Urteil an. Sein Verteidiger plädierte auf eine Einstufung der Tat als Totschlag und eine maximal fünfjährige Freiheitsstrafe. Sein Mandant habe unter grosser seelischer Belastung gehandelt.
Der 49-Jährige bestritt nicht, den Tod der Frau zu verantworten. Er machte aber geltend, er habe die Frau zufällig aus dem Auto gesehen und habe mit ihr über die beiden gemeinsamen Kinder reden wollen. Sie habe ihn aber einmal mehr beschimpft und beleidigt. Und sie habe ihn mit einem Messer verletzt. Ab dann habe er keine Erinnerung mehr, auch nicht an die Tat.
Die Staatsanwältin erhob Anschlussberufung gegen das Urteil des Bezirksgerichts. Sie forderte eine lebenslängliche Freiheitsstrafe. Laut Anklage kam der Mann bereits mit Tötungsabsicht. Er habe die von ihr angestrebte Scheidung nicht akzeptiert.