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Jugendliche fühlen sich im Kanton Zürich unsicherer als früher

Jugendliche im Kanton Zürich fühlen sich heute bedeutend weniger sicher als vor zehn Jahren: Die Zahl der Gewalttaten steigt nach einem Rückgang wieder an – gemäss einer Langzeit-Befragung wurde fast jeder vierte Jugendliche in den vergangenen zweieinhalb Jahren Opfer einer Tat.

06.09.2022 / 18:13 / von: sda/lro/ngu
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Jugendliche werden im Kanton Zürich wieder häufiger Opfer von Jugendgewalt, wie eine Befragung zeigt. (Gestellte Aufnahme/Themenbild: KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI)

Jugendliche werden im Kanton Zürich wieder häufiger Opfer von Jugendgewalt, wie eine Befragung zeigt. (Gestellte Aufnahme/Themenbild: KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI)

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Dies geht aus der am Dienstag vorgestellten Studie zur «Entwicklung von Gewalterfahrungen Jugendlicher im Kanton Zürich 1999-2021» hervor, die in mehreren Wellen erarbeitet und publiziert wurde. In der nun untersuchten Periode von 2014 bis 2021 stellten die Verfasserinnen und Verfasser «fast durchweg höhere Gewaltraten fest».

Im Jahr 2021 gaben insgesamt 23.9 Prozent der Befragten an, in den vergangenen 30 Monaten Opfer eines Gewaltdelikts geworden zu sein. Das entspricht gegenüber 2014 einer Zunahme um 46 Prozent. Der Wert liegt aber unter dem Niveau von 1999 und 2007, als über ein Viertel der Befragten mindestens eine Opfererfahrung angab.

Die Zunahme ist dabei nicht darauf zurückzuführen, dass immer mehr Jugendliche zu Täterinnen oder Tätern werden, wie Studienleiter Denis Ribeaud an einer Medienkonferenz festhielt. Die Intensivtäter verübten etwas mehr als doppelt so viele Taten wie früher.

Häufiger Raub, Erpressung und Sexualdelikte

Die häufigste Form gravierender Jugendgewalt bleibe gemäss Studie Körperverletzungen ohne Waffe. Ein grosser Anstieg sei hier aber nicht zu verzeichnen – je nach Opferperspektive seien teilweise gar stagnierende Raten festgestellt worden.

«Sehr viel eindeutiger erscheint dagegen die Zunahme von Raub und Erpressung mit Gewaltandrohung», heisst es in der Studie. Auch bei Sexualdelikten – sowohl gravierender sexueller Nötigung als auch bei Formen der sexuellen Belästigung – werden Höchststände erreicht. Während die Kurven bis 2014 nur langsam angestiegen seien, seien sie nun hochgeschnellt, hielt Studienleiter Ribeaud fest.

So hätten bis 2014 weniger als 20 Prozent der jungen Frauen angegeben, im schulischen Umfeld sexuell belästigt worden zu sein, 2021 seien es 37 Prozent gewesen. Und von sexueller Belästigung im Internet hätten statt rund 30 nun 50 Prozent berichtet. «Die Hälfte der jungen Frauen erlebt das heute», sagte Ribeaud.

Stark stiegender Pornokonsum feststellbar

Laut Studie ist der Anstieg nicht auf höhere Sensibilisierung - etwa auf einen «Me Too»-Effekt - zurückzuführen. Auch sei keine Machoisierung erfolgt; die Befragten zeigten sich laut Ribeaud in der aktuellen Studie vielmehr egalitärer als in früheren.

Aber es sei ein Pornokonsum feststellbar, der stark steige. Inzwischen würden 49,5 Prozent der 15- und 16-Jährigen mindestens einmal wöchentlich pornografische Medieninhalte konsumieren, sagte Ribeaud. Zudem wies er darauf hin, dass - allenfalls wegen der Coronapandemie - weniger Jugendliche aktuell Beziehungen führen würden und deshalb sexuell unerfahrener seien.

Unsicher an der Bushaltestelle

Subjektiv fühlen sich Jugendliche deutlich stärker durch Gewalt bedroht als bei der letzten Jugendbefragung. Die wahrgenommene Bedrohung durch Gewalt habe überall «statistisch hochsignifikant zugenommen». Sie weist – mit Ausnahme des Privatbereichs – die bisher höchsten Raten sei Messbeginn 1999 auf, heisst es in der Studie.

Am deutlichsten sei das Bedrohungsgefühl im öffentlichen Raum – etwa an den Haltestellen des öffentlichen Verkehrs oder im Nachbarschaftsbereich. In der eigenen Wohnung und in der Schule sind die Werte wesentlich tiefer.

Im Gegensatz zur Jugenddelinquenz ging der jugendliche Drogenkonsum in den vergangenen Jahren zurück. «Fast alle häufig konsumierten Substanzen weisen rückläufige Konsumraten auf», sagte Ribeaud. Als Ausnahme davon gelte harter Alkohol.

Für den Kanton zeigt die Studie auf, dass «weitere Anstrengungen zur Bekämpfung von Jugendgewalt angezeigt sind», wie er in einer Mitteilung festhält. Bestehende Massnahmen sollen weitergeführt und gestärkt, zusätzliche sollen geprüft werden.

Massnahmen, um diesem Anstieg entgegenzuwirken kennt RADIO TOP:

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Eine einmalige Datenreihe

Die Studie bestätigt grundsätzlich jene Trends, welche auch die polizeilichen Kriminalstatistiken ausweisen. Nach einem Anstieg der Jugendgewalt von den 1990er- bis in die Mitte der 2000er-Jahre und einem markanten Rückgang bis 2015 zeigt sich seit einigen Jahren wieder eine Zunahme.

Die Studie zur Entwicklung der Gewalterfahrungen von Jugendlichen wurde von der Koordinationsgruppe Jugendgewalt des Kantons Zürich in Auftrag gegeben und vom Jacobs Center for Productive Youth Development der Universität Zürich durchgeführt.

In den Jahren 1999, 2007, 2014 und 2021 wurden jeweils über 2500 Lernende der 9. Klassen aus allen Bildungstypen des Kantons Zürich befragt. Den in der Regel 15- und 16-Jährigen wurden dabei weitestgehend identische Fragebögen vorgelegt.

TELE TOP hat mit dem Studienleiter Denis Ribeaud gesprochen:

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