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Nationalräten Köppel und Molina droht eine Strafverfolgung

Den beiden Zürcher Nationalräten Roger Köppel (SVP) und Fabian Molina (SP) drohen aus unterschiedlichen Gründen Ermittlungen durch Strafverfolgungsbehörden. Während sich Molina laut der zuständigen Nationalratskommission nicht auf seine Immunität berufen kann, soll Köppels Immunität aufgehoben werden.

11.05.2022 / 16:44 / von: sda/kwi
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Gegen den Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel könnte bald wegen Amtsgeheimnisverletzung ermittelt werden. Die zuständige Nationalratskommission will seine Immunität aufheben. (Archivbild: KEYSTONE/PETER SCHNEIDER)

Gegen den Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel könnte bald wegen Amtsgeheimnisverletzung ermittelt werden. Die zuständige Nationalratskommission will seine Immunität aufheben. (Archivbild: KEYSTONE/PETER SCHNEIDER)

Die zuständige Kommission des Nationalrats will die Immunität von SP-Nationalrat Fabian Molina nicht aufheben. (Archivbild: KEYSTONE/PETER KLAUNZER)

Die zuständige Kommission des Nationalrats will die Immunität von SP-Nationalrat Fabian Molina nicht aufheben. (Archivbild: KEYSTONE/PETER KLAUNZER)

Der Entscheid zu Köppel fiel in der Immunitätskommission des Nationalrats (IK-N) mit 5 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung, wie Kommissionspräsidentin Aline Trede (Grüne/BE) am Mittwoch vor den Medien in Bern sagte. Stützt die Ständeratskommission diesen Entscheid, kann die Bundesanwaltschaft gegen Köppel wegen Amtsgeheimnisverletzung ermitteln.

Die Aufhebung der relativen Immunität von Köppel wäre eine Premiere: Noch nie hoben die Parlamentskommissionen die Immunität eines amtierenden Ratsmitglieds auf. Überraschend wäre der Entscheid dennoch nicht. Köppel hatte in den vergangenen Wochen betont, dass er freiwillig auf seine parlamentarische Immunität verzichten wolle. Dies ist faktisch aber nicht möglich.

Damit die Bundesanwaltschaft rasch untersuchen kann, ob Köppel eine Amtsgeheimnisverletzung begangen hat, braucht es also noch das grüne Licht der Ständeratskommission. Voraussichtlich an ihrer nächsten ordentlichen Sitzung vom 30. Juni und 1. Juli entscheidet die Rechtskommission des Ständerats (RK-S) über den Fall.

Als Journalist oder als Nationalrat gehandelt?

Im Fall Köppel geht es um die Frage, ob der Journalist und Verleger auf seinem Videokanal «Weltwoche Daily» mit der Veröffentlichung von Informationen aus vertraulichen Kommissionsunterlagen das Amtsgeheimnis verletzt hat. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates (APK-N) hatte deswegen Strafanzeige gegen ihr Mitglied eingereicht.

Die Bundesanwaltschaft sieht inzwischen einen hinreichenden Tatverdacht wegen Amtsgeheimnisverletzung. Deshalb ersuchte sie die Parlamentskommissionen um die Aufhebung von Köppels Immunität. Der SVP-Parlamentarier habe gewisse Passagen aus vertraulichen Unterlagen der APK-N «weitestgehend deckungsgleich» in seiner Sendung wiedergegeben.

Köppel erklärte vor der Immunitätskommission, dass er von den fraglichen Informationen vor dem Erhalt der Kommissionsunterlagen Kenntnis gehabt habe, wie Trede ausführte. Die Kommission habe dann darüber diskutiert, ob er als Journalist oder als Nationalrat gehandelt habe.

Die Mehrheit sei dann zum Schluss gekommen, dass er grundsätzlich von der Immunität geschützt sei. Eine Interessenabwägung danach habe aber ergeben, dass es im rechtsstaatlichen Interesse sei, den Sachverhalt juristisch abzuklären - umso mehr, als dass die Strafanzeige von einer Parlamentskommission stamme. Köppel wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Mittwoch nicht zum laufenden Verfahren äussern.

Vertrauliche EDA-Notiz

Köppel hatte am 24. März auf «Weltwoche Daily» von einer Durchsuchung bei der lokalen Tochterfirma des Schweizer Uhrenherstellers Audemars Piguet in Moskau am 22. März berichtet. Dabei habe der russische Inlandgeheimdienst FSB wegen angeblicher Zollvergehen Uhren im Wert von mehreren Millionen Franken beschlagnahmt.

Gemäss einem Bericht des «Blicks» stützte sich Köppel dabei auf eine als vertraulich gekennzeichnete Informationsnotiz des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Gegenüber der Zeitung wies der SVP-Politiker den Vorwurf zurück, das Kommissionsgeheimnis verletzt zu haben. Für Köppel gilt die Unschuldsvermutung.

Neben den allfälligen weiteren strafrechtlichen Abklärungen der Bundesanwaltschaft ist beim Nationalratsbüro auch noch hängig, ob eine allfällige Disziplinarmassnahme gegen Köppel ausgesprochen wird. Das Büro tagt laut Trede diesen Freitag.

Demonstrationsbesuch als Privatperson

Bei Molina ist der Fall anders gelagert. Mitglieder der obersten Bundesbehörden geniessen Immunität nur für Taten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Amt stehen. Bei Molina sieht die Immunitätskommission diesen Zusammenhang nicht, weshalb sie nicht auf das Gesuch um Aufhebung der Immunität eingetreten ist. Der Entscheid fiel mit 6 zu 2 Stimmen.

Folgt die Ständeratskommission diesem Entscheid, kann die Zürcher Staatsanwaltschaft gegen Molina ermitteln. Der 31-jährige Nationalrat und frühere Juso-Präsident hatte im Februar in Zürich an einer unbewilligten Gegenkundgebung zu einer Demonstration von Kritikern der Corona-Massnahmen und gegen Rechtsextreme teilgenommen.

Daraufhin wurde Molina von Massnahmengegnern angezeigt. Sie werfen dem Politiker Landfriedensbruch, Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration sowie Verstoss gegen das Vermummungsverbot vor.

Ähnlichkeiten mit Fall Schwander

Der Fall Molina hat Ähnlichkeiten mit dem Fall um den Schwyzer SVP-Nationalrat Pirmin Schwander im Jahr 2016. Bei dessen Engagement zugunsten einer Mutter, die ihr Kind vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) versteckte, konnte sich der Politiker ebenfalls nicht auf die parlamentarische Immunität berufen. Die Berner Justiz leitete in der Folge ein Strafverfahren ein - dieses wurde Jahre später eingestellt.

Eine Kommissionsmehrheit hatte damals darauf hingewiesen, dass die Immunitätsbestimmungen erst 2011 revidiert worden seien. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, das Strafverfolgungsprivileg restriktiver anzuwenden und den Schutzbereich der relativen Immunität enger zu fassen.

Es sei daher nicht jegliche im Zusammenhang mit dem parlamentarischen Mandat stehende Handlung geschützt. Vielmehr müsse eine enge Verbindung zwischen den vorgeworfenen Handlungen und der amtlichen Stellung oder Tätigkeit vorliegen. Dies sei im Fall von Schwander nicht gegeben.