Urteil des Zürcher Obergerichts im Fall Brian aufgehoben
Das Obergericht Zürich begründete seine Verneinung der Notstandslage im Urteil vom Mai dieses Jahres vor allem mit einem Urteil des Bundesgerichts zu einem Verlegungsgesuch von Brian.
In diesem Verlegungsentscheid kam das Bundesgericht im März zum Schluss, dass sich die Haftbedingungen von Brian in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies ZH wegen der besonderen Umstände noch rechtfertigen liessen.
Dieser Entscheid des Bundesgerichts bezog sich aber nur auf die Zeit ab dem 17. August 2018, als Brian in das Gefängnis Pöschwies verlegt wurde. Die vom Obergericht zu beurteilenden Taten fallen jedoch in den Januar, April und Juni 2017, den März und April 2018 und in die Zeitphase zwischen August bis Oktober 2018, wie das Bundesgericht in seinem aktuellen, am Mittwoch veröffentlichten Urteil festhält.
Nicht geprüft hat das Obergericht die Haftbedingungen vor dem 17. August 2018. Damit hat die Vorinstanz laut Bundesgericht einen für die Beurteilung der Notstandslage relevanten Zeitraum unbeachtet gelassen.
Privates Gutachten berücksichtigen
Das Obergericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, obwohl der Angeklagte wiederholt darauf aufmerksam gemacht hatte, dass er seit seinem 10. Lebensjahr von Behörden und Staat wiederholt unmenschlich und erniedrigend behandelt worden sei.
Das Obergericht muss den Sachverhalt nun vervollständigen. Dabei hat es auf Geheiss des Bundesgerichts auch die als Beweismittel abgelehnten Privatgutachten und die Tagebucheinträge von Brian zu berücksichtigen.
Diese haben gemäss Bundesgericht nicht den gleichen Stellenwert wie ein von der Behörde in Auftrag gegebenes Gutachten. Die Informationen könnten jedoch Zweifel an der Schlüssigkeit eines Gerichtsgutachtens begründen oder die Notwendigkeit aufzeigen, ein zusätzliches Gutachten erstellen zu lassen.
Kein Kontakt zu anderen Insassen
Brian wurde vom Zürcher Obergericht im Mai zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten sowie einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu 10 Franken verurteilt. Von einer Massnahme oder einer Verwahrung - wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte - sah das Obergericht ab.
Die vorgeworfenen Delikte, die von Sachbeschädigung über Drohung, Beschimpfung bis zu versuchter schwerer Körperverletzung reichen, ereigneten sich alle während eines Freiheitsentzugs in verschiedenen Gefängnissen.
Der Angeklagte befindet sich seit seiner Verlegung in das Gefängnis Pöschwies in Einzelhaft in der Sicherheitsabteilung. 23 Stunden pro Tag verbringt er alleine in seiner Zelle. Beim einstündigen Spaziergang hat er lediglich zu den Gefängnisangestellten Kontakt. Die Haftbedingungen wurden im Sommer vom Uno-Sonderberichterstatter für Folter kritisiert.