Verhaftungen bei Zürcher Anti-Rassismus-Demonstration
Die Anti-Rassismus-Kundgebung in Zürich begann um 14 Uhr auf dem Sechseläutenplatz. Kurz nach 14 Uhr setzte sich der Protestzug in Bewegung: Die Kundgebungsteilnehmer marschierten über die Quaibrücke zum Bürkliplatz und weiter in die Bahnhofstrasse. Gegen 15 Uhr erreichte der Demonstrationszug den Paradeplatz und zog von dort aus weiter via Bleicherweg und General-Guisan-Quai zurück zum Sechseläutenplatz. Der Demonstrationszug hielt immer wieder an und die Kundgebungsteilnehmer knieten sich nieder, um dem Tod des Afroamerikaners George Floyd
bei einem Polizeieinsatz in der US-Stadt Minneapolis zu gedenken.Gemäss einer Reporterin von TELE TOP vor Ort ist die Mehrheit der Demonstranten schwarz gekleidet und trägt Schutzmasken. Auch die Stadtpolizei Zürich hält in ihrer Schlussbilanz fest, dass die meisten Kundgebungsteilnehmer Masken trugen und sich auch bemühten, die Mindestabstände einzuhalten.
Linksautonome wollten Demonstration kapern
Die Kundgebung verlief friedlich, heisst es in der Polizeibilanz. Es kam zu keinerlei Zwischenfällen oder Sachbeschädigungen. Nach 16 Uhr begann die Demonstration sich am Sechseläutenplatz wieder aufzulösen.
Eine Gruppe von rund 300 Linksautonomen versuchte allerdings, eine erneute Demonstration zu starten, so die Stadtpolizei. Sie bewarfen Polizisten mit Steinen, Flaschen und weiteren Gegenständen. Ein Polizist ist dabei am Hals getroffen und verletzt worden, er musste ins Spital gebracht werden.
Die Polizei setzte Reizstoff gegen die Krawallmacher ein. Sie nahm mehrere Personen fest. Vereinzelt sind im Demonstrationsumzug ausserdem Pyros gezündet worden. Die Autonomen hätten bereits im Verlauf des Nachmittags mehrfach versucht, die Herrschaft über den Demonstrationszug zu ergreifen. Die Organisatoren hätten dies aber erfolgreich verhindert, so die Polizei. Die friedlichen Demonstranten hätten sich zu keinem Zeitpunkt mit den Krawallmachern solidarisiert.
Es sind Verhaftungen erfolgt aufgrund der Angriffe auf die Einsatzkräfte. Nach wie vor werden am Stadelhoferplatz Gegenstände geworfen. Halten Sie sich von dieser Örtlichkeit fern. ^spa
— Stadtpolizei Zürich (@StadtpolizeiZH)
Die Stadtpolizei Zürich tolerierte den Umzug - obwohl er keine Bewilligung hatte. Aufgrund der Corona-Pandemie sind in der Schweiz Kundgebungen mit höchstens 300 Teilnehmern erlaubt. Laut der Polizei nahmen an der Demonstration in Zürich weit über 10'000 Aktivisten teil. Aufgrund der schieren Menschenmassen zog sich der Demonstrationszug in Zürich über mehrere hundert Meter.
Die Polizei forderte die Anwesenden mehrmals freundlich auf, auf die «Veranstaltung zu verzichten». Die Polizei drückte gleichzeitig Verständnis aus für das Anliegen der Demonstrierenden.
TELE TOP hat die Demonstration in Zürich begleitet und mit Demonstranten gesprochen:
Demonstrationen auch in St.Gallen, Bern und weiteren Städten
Auch in St.Gallen wurde demonstriert, dort versammelten sich laut einer Schätzung der Polizei über 1'000 Teilnehmer. Die Demonstranten trafen sich auf dem Bärenplatz und zog von dort zum Kantipark.
In Bern lockte die Demonstration rund 4'000 Teilnehmer an. In Bern haben sich die Demonstranten auf dem Bundesplatz versammelt. Dort wurden sie unvermittelt geduscht, als das Wasserspiel losging. Die Kantonspolizei Bern schreibt auf Twitter, dass sie nun abklärt, warum das Wasserspiel nicht abgestellt wurde. Später erhielten die Berner Demonstranten dann eine weitere Dusche, diesmal allerdings von oben: Um 15.30 Uhr erreichte ein Gewitter den Bundesplatz. Die Demonstration in Bern löste sich laut Angaben der Polizei kurz nach 16 Uhr auf.
Demonstriert wurde desweiteren auch in Basel, Luzern und Lausanne.
Rassismus-Debatte könnte Schweizer Politik laut Menschenrechtsaktivisten über Jahre prägen
Menschenrechtsorganisationen sind über die grosse Teilnehmerzahl bei den Demonstrationen hoch erfreut. Beat Gerber, Mediensprecher von Amnesty International, hat selber an der Kundgebung in Bern teilgenommen. Er findet: «Es sind eindrückliche Bilder. Dass so viele vor allem junge Menschen in der Schweiz auf die Strasse gehen und sich gemeinsam gegen Rassismus und für Gleichberechtigung aufrufen ist ein schönes Zeichen.»
Dass das Interesse an der «Black Lives Matter»-Bewegung bald wieder abflaut, glaubt Gerber indes nicht: «Es gibt auch in der Schweiz ein Problem mit Rassismus, es gibt zum Beispiel bei der Polizei ein Problem mit Racial Profiling. Es ist richtig, Veränderungen voranzutreiben. Die Leute auf den Strassen - vor allem die jungen Leute - werden dieses Anliegen nicht so schnell wieder aufgeben. Der Wunsch nach Gleichberechtigung ist so tief verankert, dass er die Schweizer Politik auch in den kommenden Jahren prägen wird.»
Zweite Anti-Rassismus-Kundgebung in Zürich innert Wochenfrist
In Zürich fand bereits vor einer Woche
eine Anti-Rassismus-Demonstration statt. Dort nahmen gemäss Angaben der Stadtpolizei Zürich mehr als 1'000 Personen teil. Sie hatten für ihren Protest keine Bewilligung. Dennoch tolerierte die Polizei den Protestzug.Das Vorgehen der Stadtpolizei Zürich mit unbewilligten Demonstrationen sorgte jüngst für Kritik: Mal wurde eine Demonstration toleriert,
mal aufgelöst. Die Stadtpolizei Zürich hat im Nachgang dazu Fehler eingeräumt. Zwischen der Stadt und dem Kanton Zürich ist es zu einem offenen Schlagabtausch gekommen: Nachdem die Stadt Demonstrationen bereits früh wieder bewilligen wollte, pfiff der Kanton die Stadt zurück. Die Stadtzürcher Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart hat für ihr Vorgehen im Umgang mit Demonstrationen während der Coronakrise eine aufsichtsrechtliche Beschwerde seitens der SVP am Hals.In der Schweiz hat die Debatte rund um Rassismus unter anderem auch zu einer regelrechten «Mohrenkopf»-Affäre
geführt: Die Migros kippte die Schokoküsse der Firma Dubler aus dem Sortiment, weil diese den rassistisch konnotierten Namen «Mohrenkopf» tragen. Weitere Detailhändler schlossen sich der Migros an. Das löste eine hitzige Debatte aus.