Zürcher Obergericht verurteilt «Carlos» zu Freiheitsstrafe
Das Gericht sprach den 25-jährigen «Carlos», oder Brian, wie er mit richtigem Namen heisst, wegen Körperverletzung, Beschimpfung, Drohung, mehrfacher Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Sachbeschädigung schuldig.
Er war angeklagt, weil er in 29 Fällen Mitarbeiter und Mithäftlinge im Gefängnis Pöschwies angegriffen und teilweise verletzt hatte. Das Obergericht verschärfte also die Freiheitsstrafe: Die Vorinstanz, das Bezirksgericht Dielsdorf, hatte nur 4 Jahre und 9 Monate verhängt. Dafür wollte das Bezirksgericht Brian in die «kleine Verwahrung» schicken, also dauerhaft hinter Gittern therapieren.
«Er ist kein Mörder und kein Vergewaltiger»
Das Obergericht beliess es nun aber bei einer Freiheitsstrafe. Brian sage selber, dass er sich keinesfalls therapieren lassen wolle, sagte der Richter. Man könne ihn nicht dazu zwingen. So gebe es praktisch keine Möglichkeit, eine Therapie durchzuführen.
Eine ordentliche Verwahrung, ihn also zum Schutz der Öffentlichkeit bis ans Lebensende wegzusperren, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, hielt das Obergericht für nicht verhältnismässig.
«Er ist kein Mörder, kein Vergewaltiger und auch kein Brandstifter. Er ist vor allem ein Schläger.» Die vorliegenden Delikte hätten sich zudem alle gegen den Justizapparat gerichtet. «Es besteht die Möglichkeit, dass er sich nach Verbüssen der Freiheitsstrafe in Freiheit bewähren könnte.»
Bis es so weit ist, dürfte es allerdings noch lange dauern. Brian sitzt bereits 1337 Tage in Haft, also rund dreieinhalb Jahre. Es bleiben also noch drei Jahre. Allerdings führt die Staatsanwaltschaft bereits ein nächstes Verfahren wegen 30 weiteren Delikten hinter Gittern. Falls dieses Verfahren dann ebenfalls in eine Freiheitsstrafe mündet, kommt diese dann noch dazu.
Das Urteil des Obergerichtes ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft und Brians Anwälte können es noch ans Bundesgericht weiterziehen.
Einzelhaft wird fortgesetzt
Brians Einzelhaft wird fortgesetzt. Seine Anwälte hatten die Haftbedingungen wiederholt als Folter bezeichnet. Man könne Brian nicht vorwerfen, dass er sich dagegen zur Wehr setze. Inzwischen wurde auch der Uno-Sonderberichterstatter für Folter aktiv und fordert deswegen eine Stellungnahme des Bundes.
Das Obergericht lässt die Folter-Vorwürfe aber nicht gelten. Das Bundesgericht habe noch vor zwei Monaten festgestellt, dass die Haftbedingungen «noch als menschenrechtskonform» zu bezeichnen seien. Seither habe sich nichts zu Brians Nachteil verändert.
«Er wird sich sonst selber verwahren»
Das Obergericht sah nun zwar von einer ordentlichen Verwahrung und auch von einer «kleinen Verwahrung» mit Therapie ab. Hilfe benötige «Carlos» aber trotzdem, auch wenn er das nicht anerkennen wolle.
«Er befindet sich in einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale», sagte der Oberrichter. «Ich frage mich, ob es die richtige Art von Hilfe ist, ihn in seinem Kampf gegen den Staat zu bestärken», sagte er an Brians drei Anwälte gerichtet. Er brauche vielmehr Menschen, die ihm zeigen würden, wie er aus der Sackgasse herausfinde. «Sonst wird er sich mittel- und langfristig selber verwahren.»