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Zürcher Stadtpolizisten zwischen Racial Profiling und Freispruch

Drei Zürcher Stadtpolizisten müssen sich seit Dienstag vor dem Zürcher Bezirksgericht wegen einer Personenkontrolle verantworten, die ausser Kontrolle geriet. Die Staatsanwältin hat jedoch Zweifel und fordert einen Freispruch für die Polizisten.

10.04.2018 / 20:32 / von: ano/sda
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Symbolbild: Thorben Wengert/pixelio.de

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Der Privatkläger, ein gebürtiger Nigerianer, wirft den Stadtpolizisten vor, ihn anlässlich einer Polizeikontrolle im Oktober 2009 zusammengeschlagen, gewürgt und mit Pfefferspray besprüht zu haben.

Die Kontrolle begann kurz vor 1 Uhr nachts in einem Tram. Die Polizisten verlangten die Ausweise des damals 36-Jährigen und seines Begleiters. Diese fragten nach, ob die Kontrolle etwas mit ihrer Hautfarbe zu tun habe, worauf sie aufgefordert wurden, das Tram zu verlassen. Danach eskalierte die Situation.

Der Kontrollierte, dem kurz zuvor eine künstliche Herzklappe eingesetzt worden war, erlitt dabei unter anderem einen gebrochenen Lendenwirbel, Prellungen im Gesicht und am Hals, eine Zerrung am Oberschenkel und eine ernsthafte Knieverletzung.

Während der «Gewaltorgie», wie sein Vertreter es nannte, habe er mehrmals zu den Polizisten gesagt, dass er am Herzen operiert worden sei und nun einen Herzschrittmacher trage. Vergeblich. Der Mann, der auch heute noch traumatisiert sei, sprach von Todesangst: «Ich dachte, ich werde meine Tochter nie mehr sehen.»

Die drei Stadtpolizisten - zwei Männer und eine Frau - machten in der Befragung hingegen eine Notwehrsituation geltend. Der Mann habe sie angegriffen. Er habe noch nie erlebt, dass jemand so auf sie losgegangen sei wie bei dieser Kontrolle, sagte einer der Polizisten. Von einer Herz-OP sei zudem nie gesprochen worden.

Die Staatsanwältin stützte die Polizisten in ihrem Plädoyer und forderte Freisprüche für die Beschuldigten, die wegen Amtsmissbrauchs und Gefährdung des Lebens angeklagt sind. Sie habe erhebliche Zweifel an der Version des Mannes. Auch Lebensgefahr habe laut den Ärzten nicht bestanden.

Die Personenkontrolle sei zudem nicht einer Laune der Polizisten heraus entsprungen oder wegen rassistischer Motive, sondern weil «eine Ausschreibung für eine gut angezogene Person mit dunkler Haut vorlag».

Die Polizisten hätten einfach ihren Job gemacht - mit Racial Profiling, zu dem das Verfahren hochstilisiert worden sei, habe die Sache nichts zu tun. Für sie ist klar: Hätte der Mann einfach seinen Ausweis gezeigt und «nicht eine sinnlose Grundsatzdiskussion» wegen der Hautfarbe gestartet, wäre nichts passiert. «Es darf keine Verurteilung geben», sagte sie.

Die Staatsanwältin wollte das Verfahren, das seit rund neun Jahren läuft, wegen eines mangelhaften Beweisfundaments bereits früher zweimal einstellen lassen und wurde vom Zürcher Obergericht darin auch gestützt. Schliesslich musste sie aber auf Geheiss des Bundesgerichts dennoch Anklage erheben.

Da sich die Staatsanwältin auf die Seite der Polizisten stellte, übernahmen die Vertreter des Opfers in ihrem mehrstündigen Plädoyer - das morgen Mittwoch weitergeht - die Rolle der Staatsanwaltschaft. Sie forderten eine Verurteilung wegen eventualvorsätzlicher Tötung sowie Amtsmissbrauchs.

Zudem stellten sie auch am Dienstag mehrmals den Antrag, die Staatsanwältin wegen Befangenheit auszuwechseln. «Sie ist krass feindselig gegenüber unserem Mandanten, ein fairer Prozess ist nicht möglich», sagten sie.

Ursprünglich begann der Prozess bereits im November 2016, wurde dann aber unterbrochen: Der Geschädigten-Vertreter hatte erfolgreich eine Ausweitung der Anklageschrift um den Vorwurf der Gefährdung des Lebens beantragt. «Diese Ergänzung ist schlicht und ergreifend falsch», sagte die Staatsanwältin.

Sie vermutete, dass das Opfer schon seit Jahren mit «Terminverschiebungen» und «initiierten Leerläufen» auf Zeit spielt. Denn gegen den Mann lief wegen des gleichen Vorfalls ein Verfahren wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte. Dieses wurde jedoch aufgrund des Verfahrens gegen die Polizisten sistiert. Inzwischen ist der Vorwurf seit Herbst 2016 sogar verjährt.

Etwas anders sah es der Geschädigten-Vertreter: «Meinem Mandanten geht es nicht um Rache. Er will, dass das Problem des Racial Profiling endlich erkannt wird.» Denn sein Mandant und der in der Ausschreibung gesuchte Mann hätten nur die Hautfarbe gleich - sonst nichts, sagte er und sprach von einem «wundersamen Wiedererkennen», der «Jagd auf schwarze Mitbürger» und «Generalverdacht».

Der Prozess geht morgen Mittwoch mit dem Plädoyer des Opfer-Vertreters weiter. Danach folgen die Verteidiger der Polizisten. Ob es bereits am Mittwoch ein Urteil gibt, ist ungewiss.

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